Distinktion

du bist nicht wie andere Menschen, aber nicht nur auf diese jeder-ist-einzigartig-, alle-sind-anders-Art.
dir fällt jedesmal aufs neue auf, dass mit der Rolltreppe etwas nicht stimmt. du siehst, dass plötzliche eine Klopapierrolle weniger da ist und schaust sofort nach, ob man sie noch komplett nass in den Müll geschmissen hat. du sagst „damals“ und meinst irgendeinen Augenblick nach deiner Geburt. du kannst nur bedingt multitasken, Musik hören und lesen geht nicht, Musik hören und schreiben schon, Musik hören und nichtstun am besten. du magst den Anblick von Blut unter deinen Fingernägeln. du isst einen Tag fast nichts und am nächsten eine ganze Packung Müsli, obwohl du keinen Hunger hast. du haarst unter der Dusche. du kannst auch bei Licht schlafen, wenn du in der Dunkelheit wach warst. du kannst auch neben einem Minenfeld schlafen ohne aufzuwachen, selbst wenn du nicht extrem müde bist. du putzt dir deine Zähne immer mit Leitungswasser, aus Prinzip, egal aus welchem, egal wie grauslich es schmeckt. manchmal kaust du eine Packung Kaugummi und isst einen Kübel Nüsse am selben Tag und wunderst dich dann, dass du Durchfall bekommst. dir ist es oft peinlich, Menschen anzusprechen, selten auch unfremde. du hast ein komplett falsches Bild von dir selbst. du beißt dir an einem Tag öfters hintereinander in dieselbe Wange, ohne es zu wollen und legst somit den Grundstein für eine neue Aphthenlandschaft, ohne es gleich zu wissen. du regst dich über eine gute Note auf (aber nur indirekt!), weil du findest, dass sie unverdient ist. du bist feig, aber Feigen schmecken dir nicht besonders. dir ist kein Getränk lieber als Wasser, nichtmal Butterscotch, naja, meistens. dir gefällt kein Wetter besser als Regen, außer wenn du gerade geduscht hast und aus dem Haus musst.

Menschen wie Absatzlosigkeit

es gibt Menschen wie du und es gibt Menschen wie ich. Menschen wie du wissen immer, was sie zu sagen haben. Menschen wie du können kochen und leben und selbstständig sein. Menschen wie ich wissen erst, wenn es zu spät ist, dass sie etwas falsches gesagt haben. Menschen wie ich können kein einziges Geheimnis für sich alleine bewahren. Menschen wie ich besitzen zwar Empathie (naja, fast), können aber nicht richtig damit umgehen. Menschen wie ich müssen alles immer irgendjemandem erzählen, egal was, egal wem (naja, fast). Menschen wie ich verletzen Menschen wie dich. Menschen wie ich fangen gerade erst an, leben zu lernen. Menschen wie du müssen „wenn ich mich umbringe, ist es deine Schuld“-Sätze in den Mund nehmen. Menschen wie du kennen den Reiz, den ein Geheimnis erzeugt, dieses „ich weiß was, was du nicht weißt“-Gefühl. Menschen wie ich können nur Dinge wie „wenn du dich wirklich umbringen wollen würdest, hättest du das schon längst getan“ und „ich kann genauso an meinem Grab stehen und sagen: mir waren alle Menschen egal, alle, ausnahmslos“ bzw. ein unglaubwürdig klingendes „sorry“ in Krisensituationen aussprechen. Menschen wie ich hassen es, wenn Menschen wie du über jemanden lästern und denken sich Sachen wie „soll ich das der betreffenden Person erzählen?“ und „würde ich wissen wollen, wer was über mich lästert?“ bzw. schlimmstenfalls „aber über mich lästert doch eh keiner!“ Menschen wie ich sollten hungrig und müde und geistig halb abwesend keine Gespräche führen dürfen. Menschen wie ich hassen es, immer überlegen zu müssen, wer was von wem seit wann warum und wieviel genau weiß. Menschen wie wir hatten vielleicht nie wirklich eine Chance, gleichwertig miteinander zu kommunizieren. Menschen wie wir haben einfach eine nicht-kompatible Philosophie in solchen Dingen. es gibt Menschen wie du und es gibt Menschen wie ich.